Dauerhaft reisen als Familie ist eine Seltenheit? Sollte man meinen.

Tatsächlich ist das heute gar nicht mehr so selten. In europäischen Ländern, wie Spanien und Portugal, findest du immer mehr Familien an Freisteher Spots und auch Griechenland reiht sich vermehrt ein in die Länder, die Familien für ihre frei lernenden Kinder als Lebensmittelpunkt bevorzugen.

Ob mit Baby, Kleinkind, ja sogar mit schulpflichtigen Kindern, also Kindern, die in Deutschland der Schulpflicht unterliegen würden, finden sich diese Familien zusammen und bilden ein Netzwerk für und mit ihren Kindern. Freilernen oder selbstbestimmte Bildung ist also kein kurzweiliger Trend, sondern eine Lebenseinstellung für die ganze Familie.

Außenstehende und deren größte Angst und Sorge ist hierbei, dass alle Kinder, die keine staatliche Schule besuchen, niemals einen Schulabschluss erlangen können. Somit ist in ihren Augen die berufliche Zukunft des Kindes gefährdet. Allerdings ist nicht immer ein Schulbesuch vonnöten, um einen guten Bildungsabschluss zu erhalten. Durch Homeschooling, Privatunterricht oder eine Onlineschule können ebenfalls Lerninhalte nachhaltig vermittelt werden.

Schulpflicht ade, Bildungsrecht juche!

Freilerner Familien gibt es in Europa und weltweit. Diese Familien haben alle eines gemeinsam: Sie engagieren sich, damit ihre Kinder sich in ihren Fähigkeiten und Interessen frei entfalten können.

So wie Freilerner Julian, der mit seiner Familie seit Jahren durch Europa reist.

Julian hat länger keine Schule besucht und gerade seinen Schulabschluss erfolgreich abgeschlossen.

Wir durften ihn und seine Familie interviewen und sie haben uns erzählt, wie beides miteinander vereinbar war, denn: Bildung ohne den „typischen Bildungsweg“ ist sehr gut umsetzbar!

Wie das geht, was ihn motiviert hat, das erzählt er uns im folgenden Interview. 

Interview mit Julian

Peace Love & Om (PLO): Seit wie vielen Jahren hast du keine Schule mehr besucht?

Julian: Ich habe bis zur vierten Klasse die Grundschule besucht – seit diesem Zeitpunkt sind wir reisend.

PLO: Wie war die Umstellung für dich, hast du etwas vermisst? Gab es eine Zeit, in der du zurück in die Schule wolltest?

Julian: Oh, das ist schon sehr lange her. Wir haben jeden Tag so viel erlebt, dass ich während der Reise gar nicht die Zeit gefunden habe, darüber nachzudenken. Nein, diesen Zeitpunkt gab es nie. Auch wenn ich früher ein sehr guter Schüler war und keine Schulprobleme hatte, kam diese Frage nie auf.

PLO: Hast du auf euren Reisen gelernt? Gab es einen festen Zeitplan? Hast du dich an Lehrplänen orientiert?

Julian: Rückblickend würde ich sagen, dass wir eine gesunde Mischung aus allen Möglichkeiten angestrebt haben. Ich habe mit Homeschooling gestartet und wurde nach und nach immer mehr Freilerner. Da ich schon immer gerne gelesen habe, bin ich mir sicher, dass ich mir ein sehr gutes Allgemeinwissen angeeignet habe.

“…schwer wird es nur, wenn man zum Abschluss gedrängt wird und es sich nicht selbst wünscht.”

Abitur auch als Freilerner möglich

PLO: Wie sah deine Vorbereitung für die Abschlussprüfung aus? Wie lange hast du dich vorbereitet? Gab es Unterstützung von der Schule?

Julian: Ca. ein Jahr vor den Prüfungen habe ich mir alle notwendigen Lern- und Abschlussprüfungsbücher bestellt. 4 Monate vor der ersten Prüfung gab es einen Infoabend und allen externen Schülern wurde im groben der Prüfungsstoff geschildert. Anhand dieser Auflistung konnte ich mir selbst über Internet und Fachbüchern Wissen aneignen.

Die Lehrer der einzelnen Prüfungsfächer haben mich sehr gut unterstützt. Ich konnte jederzeit telefonisch und per Email Kontakt mit ihnen aufnehmen und sie haben mir den ein oder anderen Tipp gegeben. Ich glaube schwer wird es nur, wenn man zum Abschluss gedrängt wird und es sich nicht selbst wünscht. Mir war es wichtig, da ich sonst in Deutschland womöglich schwerer eine Ausbildung beginnen kann.

PLO: Was wünschst du dir für deine Zukunft? Ausbildung? Reisen?

Julian: Ich strebe in naher Zukunft einen handwerklichen Beruf (Schreiner) an.

PLO: Für Eltern, die ein Kind von der Schule abmelden und dann auf Reisen sind, ist es sicher nicht immer leicht, oder?

Verena (Julians Mutter): Zunächst gingen wir von einer Auszeit von einem Jahr aus. Für diese Zeit bekamen wir eine Schulbefreiung und hatten den gesamten Schulstoff dabei. Als sich dann aber nach kurzer Zeit herausstellte, dass wir dies gerne verlängern würden, haben wir uns mehr und mehr mit dem Thema Freilernen auseinandergesetzt und waren erstaunt, wie Kinder sich frei und ohne Druck weiter aus- und fortbilden.

Hätten wir wiederum gemerkt, dass sich der Lern- oder Wissenstand im laufe der Zeit nicht weiterentwickelt, hätten wir die Notbremse gezogen und ein Homeschoolingmodell mit Lehrplan und Lernvorgaben gewählt.

Vertrauen ins Kind beim Freilernen

PLO: Habt ihr sehr viel Kritik als Freilerner für euren Weg bekommen? Wie seid ihr damit umgegangen?

Verena: Kritik gab es in den ersten Jahren, weil sich die Familie Sorgen um die Ausbildung und Abschlussprüfung gemacht haben. Die Zeit war nicht immer einfach und wir mussten uns immer wieder rechtfertigen. Am Ende konnte dieses tolle Prüfungsergebnis alle Sorgen nehmen und wir glauben, dass nun auch das nötige Vertrauen für den besonderen Lernweg unserer zwei jüngeren Kinder gegeben ist.

PLO: Kann jedes Kind, jede Familie Freilerner werden oder braucht es dafür spezielle Voraussetzungen, um Bildung ohne Schule zu erlangen?

Verena: Wir glauben, einer der wichtigsten Punkte ist ein sorgfältiger Umgang mit Medien und elektronischen Geräten. Das raubt dem Alltag nicht nur sehr viel Zeit, sondern stört auch das Interesse gegenüber dem „echten“ Leben.

Bücher, Bücher, Bücher: Sie waren für uns die wichtigsten Helfer und stets dabei. Von guten Romanen über Sach- und Fachbücher bis hin zu Atlanten und Reiseführern. Wir waren gut ausgestattet.

Vielen Dank für das Interview, lieber Julian. Für deine Zukunft wünschen wir dir nur das Beste! Vielen herzlichen Dank auch an Verena und Jochen, dass ihr dabei wart.

Glückwunsch zu eurem tollen Sohn – ihr könnt sehr stolz auf ihn sein!

Wenn du mehr über Julian und seine Familie, seinen Weg und den Alltag der Familie erfahren möchtest, kannst du sie auf Instagram @travelfamily begleiten und sie dort kontaktieren!

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