“Was für eine Kraft Gemeinschaft hat. Wenn man sich zusammentut, dann ist alles möglich!“
In einer abgeschiedenen und wilden Bucht auf der Kanareninsel La Gomera liegt das 1,4 ha große Gelände der Finca Argayall. Das Wort „Argayall“ bedeutet in der Sprache der Guanchen – der Ureinwohner der Kanaren – so viel wie „Platz des Lichts“. Genau das ist es, was die Gründer im Jahr 1986 erschaffen wollten.
Eine alternative Lebensgemeinschaft, in der das nachhaltige Leben im Vordergrund steht. Wir haben diesen außergewöhnlichen Ort besucht, um mit den Menschen zu sprechen, die dort leben und zu erfahren, warum die Gemeinschaft seit einem Erdrutsch im Jahr 2020 von der Außenwelt abgeschnitten ist.
Die Finca Argayall – eine alternative Gemeinschaft
Als wir die Finca Argayall auf La Gomera besuchen, gibt es das Projekt bereits seit gut 35 Jahren. Rund 20 Menschen leben und arbeiten zu diesem Zeitpunkt auf der Finca. Jeder trägt seinen Teil bei, sodass das Leben in der Gemeinschaft gelingt.
Im Laufe der Zeit ist das Projekt gewachsen und gereift. Eine einfache Hierarchie bildet heute die Grundlage für das Gelingen der Gemeinschaft. An ihrer Spitze stehen die Gesellschafter, die nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Geld in die Finca Argayall investiert haben. Zudem gibt es ein Leitungsteam, welches die wesentlichen Entscheidungen für die Gemeinschaft trifft.
Die verschiedenen Arbeitsbereiche, wie der Garten oder die Küche, werden wiederum von einer Person geleitet. Somit ist eine Organisationsstruktur für das Leben auf der Finca entstanden. Ergänzt wird das Team durch Kurzzeit-Crewmitglieder.
Gäste sind jederzeit willkommen
Auch Gäste sind in der alternativen Lebensgemeinschaft stets gerne gesehen. Sei es, um Urlaub zu machen oder auch als helfende Hände.
„Wir empfinden es als Geschenk, an diesem Platz zu sein und freuen uns, wenn unsere Gäste das auch so erleben.“ so die Fincabewohner.

Urlaub auf der Finca
Für Urlauber stehen in der Finca Zimmer mit Meerblick zu Verfügung. Die Verpflegung, bestehend aus drei vegetarischen Mahlzeiten, wird unter anderem mit Zutaten aus dem Finca-Garten zubereitet.
Aus dem nach den Prinzipien der Permakultur gestalteten Garten werden saisonal Avocados, Bananen, Mangos, Papayas und Maracujas, sowie das ganze Jahr über Salate und Gemüse für das Buffet geerntet. Auch wirbt die Finca damit, dass jeder Besucher seinen Aufenthalt mit Erfahrungen der Stille, Begegnungen mit sich selbst und mit der Arbeit an der eigenen Heilung verbinden kann. Ein großer, runder Raum mit vielen Fenstern und einem schönen Holzboden lädt zu Yoga und Meditation ein. Doch auch, wer gerne einfach in der Sonne liegen und Nichts tun möchte, findet hier ein geeignetes Plätzchen bei den bequemen Sonnenliegen.
„Wir haben eine besondere Hochachtung vor der transformativen und magischen Kraft des Platzes, auf dem wir leben und sind dankbar, ihn mit unseren Gästen teilen zu können.“

Mitarbeit in der Gemeinschaft
Wer in der alternativen Lebensgemeinschaft mitarbeiten will, sollte 33 Std. Mitarbeit pro Woche einplanen. Je nach Interesse und Fähigkeiten kann der Wirkungsbereich im Garten, in der Küche, in der Wäscherei oder in einem der anderen Bereiche liegen. Dafür bekommt man eine kostenlose Unterkunft in einem Einzelzimmer mit Gemeinschaftsbad und wird täglich mit drei Mahlzeiten versorgt. Gleichzeitig kann jeder, der mitarbeiten möchte, auch die Angebote des täglichen Yoga-, Meditations- und Tanzprogramms nutzen.
Voraussetzung für eine Mitarbeit in der Gemeinschaft ist neben entsprechenden Qualifikationen im ausgewählten Arbeitsbereich, die Offenheit gegenüber Menschen, Teamfähigkeit und eine gute Portion Humor, wie wir erfahren. „Mitarbeit bedeutet bei uns auch, mit anfassen, wenn Hilfe gebraucht wird und eine generelle Unterstützung unseres Gemeinschaftslebens.“
Neben Unterkunft und Verpflegung bekommen Mitarbeitende auch ein Taschengeld nach einem Monat, das im Laufe der Zeit erhöht wird. Vor allem Menschen, die sich vorstellen können, langfristig auf der Finca Argayall mit anzupacken, werden stets gesucht.

Anton – vom Fincakind zum Mitglied der Gemeinschaft
Bei unserem Besuch auf der Finca lernen wir den 24-jährigen Anton kennen. Schulterlanges Haar, ein offenes Lächeln und freundliche Augen fallen und als Erstes an ihm auf.
Antons Eltern lernten sich auf der Finca Argayall kennen. Er selbst kam in Hamburg auf die Welt, doch mit 8 Monaten begann sein Leben in der alternativen Lebensgemeinschaft auf La Gomera. Seine Eltern konnten sich ein Leben in Deutschland nicht mehr vorstellen und so wuchs Anton in der Gemeinschaft auf. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr lebte er dort und war das erste „Fincakind“. Vor allem in jungen Jahren genoss er es, mitten in der Natur zu sein und sich frei bewegen zu können.
In der Schule war er ein Außenseiter
„In der Schule war ich das Community-Kind aus der Hippie-Community. Dadurch wurde ich sehr ausgegrenzt und war immer der, der anders war“, erzählt uns Anton. Gerade als Jugendlicher tat sich Anton schwer damit, seine Identität zu finden. Während er sich einerseits mit dem Leben in der Gemeinschaft identifizierte, war der Wunsch auch groß, einfach ein ganz normaler Teenager zu sein.
Als 16-Jähriger beschloss Anton daher, aus seinem bekannten Leben auszubrechen. „Ich wollte raus, das Leben da draußen erleben und das deutsche Abitur machen“, erzählt uns Anton. Er ging auf ein Internat nach Deutschland und war zunächst geschockt, wie anders das Leben dort war. Auf einmal spielten Geld und Markenkleidung eine Rolle und Anton hatte große Schwierigkeiten, sich einzufinden.
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Er fühlte sich unwohl und zog seinen Plan dennoch durch, um sein Abitur zu machen. „Ich habe in dieser Zeit gemerkt, wie ich nicht sein möchte und wie ich nicht leben möchte“, reflektiert der 24-Jährige seine Erfahrung und ist sehr dankbar dafür, sie gemacht zu haben. Dank seines Schulabschlusses ist es Anton heute möglich, Psychologie zu studieren. Für das Studium hat er sich vor allem aus dem Grund entschieden, weil er Menschen helfen möchte.
Ein Botschafter zwischen den Welten
Anton zeigt uns sein Zimmer auf der Finca, das einst seinem Vater gehörte. Mittlerweile wohnt der 24-Jährige darin mit seiner Freundin, wenn er auf der Finca ist. In dem Raum mit Blick auf den Ozean hat er sich einen kleinen Altar errichtet und findet hier seinen Rückzugsort. Heute liebt Anton das Leben in Gemeinschaft und sieht es als Teil seiner Identität. Er lebt mittlerweile in beiden Welten.
Zum einen in der Gemeinschaft als auch außerhalb. Seine Mutter bezeichnet ihn daher als einen „Botschafter zwischen den Welten“. Langfristig kann Anton sich vorstellen, nach Beendigung seines Studiums ein lebendiger Teil des Projekts zu sein: „Ich möchte die Gemeinschaft unterstützen, vielleicht den Platz auch übernehmen. Ich möchte mit von der neuen Generation sein, um dieses Gemeinschaftsleben weiterzuführen, weil ich das Gefühl habe, dass es so gebraucht wird gerade in unserer Gesellschaft.“
Der Erdrutsch – plötzlich abgeschnitten von der Außenwelt
Am 14.11.2020 ereignete sich eine Katastrophe, die das Leben der Menschen auf der Finca Argayall plötzlich und unerwartet veränderte. An diesem unheilvollen Tag löste sich ein größerer Teil eines Berges ab und begrub unter sich die einzige Zufahrtsstraße zum Gelände der Gemeinschaft.
Aufmerksame Fincabewohner beobachteten bereits zuvor erste Anzeichen für das nahende Unglück. In den Tagen zuvor waren schon kleinere Abbrüche am Berg gesichtet worden, doch einen Erdrutsch von diesem Ausmaß hatte letztendlich niemand erwartet. Geröllmassen stürzten von einem Moment auf den anderen vom Berg und eine riesige Staubwolke hüllte die Umgebung ein. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Von den Verantwortlichen im Stich gelassen
„Die Konsequenzen waren mir im ersten Moment gar nicht klar. Dass wir nun abgeschnitten sind und uns auch nach fast 1,5 Jahren immer noch nicht geholfen wurde.“ berichtet eine Langzeitbewohnerin kopfschüttelnd.
Obwohl von Seiten der Politik und den Verantwortlichen schon Hilfe zugesagt wurde, bleib es bisher bei leeren Versprechungen. Immer wieder wird die Gemeinschaft vertröstet. Nicht nur für die tägliche Versorgung, sondern auch für Notfälle ist ein Zugang zum Gelände unabdingbar. „Wir hatten bereits zwei Notfälle, haben 112 angerufen, und niemand ist uns zur Hilfe gekommen.” erfahren wir traurigerweise. Vor allem aus diesem Grund wurde von Hand in monatelanger Arbeit ein Pfad über den Steinhaufen geschaffen. Auf diesem können im Notfall Menschen heraus transportiert werden.
Versorgung über das Wasser
Der reguläre Weg führt seit dem Erdrutsch allerdings über das Wasser. Die alternative Lebensgemeinschaft hat einen privaten, kleinen Ozean-Shuttle organisiert. Mit Hilfe von Schlauchbooten und einem Seilzug stellen sie die Versorgung für die Finca sicher.
Hiermit werden sowohl Lebensmittel als auch die Gäste transportiert. Wenn das Boot ankommt, sind helfende Hände gefragt und alle Anwesenden bilden eine Kette, um die Waren an Land zu bringen. Doch auch diese Lösung ist nicht ideal. Denn während im Sommer und bei ruhiger See das Anlegen des Bootes kein Problem ist, sieht es im Winter schon ganz anders aus. „In letzter Zeit waren die Wellen häufig so hoch und vor allem mächtig, dass wir die Finca nicht verlassen konnten, keine Einkäufe an Land bringen konnten.“ so ein Fincabewohner.

Wie geht es weiter mit der Gemeinschaft?
Auch viele Monate nach dem Erdrutsch üben sich die Fincabewohner weiterhin in Geduld. Es hat Gespräche mit dem Bürgermeister und dem Inselpräsidenten Casimiro Curbelo gegeben, doch bisher ist es bei Worten und Versprechungen geblieben.
Langfristig geplant ist der Bau eines 700 Meter langen Tunnels durch den Berg. Doch bis dieser fertig ist, wird wohl noch einige Zeit ins Land ziehen. Mit Hilfe eines großen Plakats, eines Videostatements und einer Presseerklärung versuchten die Fincabewohner, Druck bei den Verantwortlichen zu machen. Bisher ohne Erfolg.
Auch du kannst das Leben in Gemeinschaft kennen lernen
Um Menschen für das Leben in einer alternativen Lebensgemeinschaft zu begeistern, veranstaltet die Finca Argayall das Programm „Argayall Experience“.
In diesem einmonatigen Arbeits- und Studienprogramm werden junge – und jung gebliebene – Erwachsene eingeladen, auf der Finca zu leben und die Grundlagen von Gemeinschaft kennen zu lernen. Wenn du neugierig bist, was es bedeutet, Teil einer Lebensgemeinschaft zu sein, dein eigenes Essen in einem Permakulturgarten anzubauen, gesunde und leckere vegetarische Mahlzeiten zu kochen, zu meditieren, zu tanzen, dich mit der Natur und mit anderen zu verbinden und wenn du bereit bist, dich zu fragen, was wirklich zählt und zu erforschen, was deine Berufung im Leben ist, dann kannst du dich unter „experience@argayall.com“ für „Argayall Experience“ bewerben.
Wir wünschen allen Bewohnern und Gästen der Finca Argayall, dass eine zeitnahe Lösung für die Zufahrt zum Gelände gefunden wird und die alternative Lebensgemeinschaft auch in Zukunft ein „Platz des Lichts“ sein wird.
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